GABRIELA

GABRIELA - Ganzheitliche Bearbeitung von Kunststoffrecyclingpfaden für ressourceneffiziente und kreislauffähige Leichtbau-Batteriegehäuse

Laufzeit:
07/2022 – 07/2025

Förderung:
BMWK – Förderkennzeichen: 03LB3074G     

Profilbild Sebastian Weise

Sebastian Weise, M.Sc.

Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik

sebastian.weise(at)tu-braunschweig.de

Institutsleiter IST - Prof. Dr. Christoph Herrmann

Prof. Dr.-Ing. Christoph Herrmann

Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik

c.herrmann(at)tu-braunschweig.de

Forschungsmotivation

Europa soll mit dem „Green Deal“ bis 2050 die Klimaneutralität erreichen. Eine essenzielle Säule der Umsetzung wird die Förderung des Recyclings von Kunststoffen mit dem forcierten Einsatz von Kunststoffrezyklaten sein (Single-Use-Plastics Directive, DIN-Spec 91446). Der funktionale Leichtbau mit hohen Gehalten an Kunststoffen genießt als eine der tragenden Säulen und Querschnittsdisziplin im Mobilitäts- und Energiesektor eine zentrale Rolle bei der Einsparung von CO2. Der nachhaltige Einsatz von Rezyklaten in Leichtbaustrukturen bringt allein schon durch Reduktion von Primärrohstoffen deutliche CO2-Einsparungen, die den weiteren systemischen Einsparungen durch Leichtbauanwendungen hinzuzurechnen sind. Im Vorhaben sollen für mobile Anwendung kreislauffähige Batteriegehäuse mit maximalem Kunststoffrezyklateinsatz entwickelt werden, wobei u.a. eine neue adaptive Recyclingtechnologie über das Verfahren des Fraunhofer IVV zum Einsatz kommen soll.

Durch Zunahme der Werkstoffvielfalt werden auch die Recyclingrouten immer komplexer und damit das Recycling erschwert. Die Conversio-Studie (Lindner und Schmitt 2018) zeigte die Grenze der Recyclingfähigkeit von thermoplastischen Kunststoffen unter den Bedingungen des derzeitigen Standes der Technik (mechanische Verfahren) mit etwa 15% deutlich auf. Studien im Fahrzeugbau weisen ebenfalls auf einen maximalen Einsatz von 10 bis 20% Rezyklatanteil hin (Schönmayr 2017). Da die derzeitigen mechanischen Recyclingrouten kaum Erweiterungspotentiale bieten, muss die Sprungtechnologie des lösemittelbasierten Recyclings der Polymere mit Reinigung der Polymere und der Einstellmöglichkeit von adaptiven Eigenschaften der Rezyklate zukünftig einen höheren Rezyklateinsatz ermöglichen (Gude et al. 2018a). Im Vorhaben sollen die Rezyklate anhand von zwei möglichen Fertigungstechnologien (Fließpressen und Spritzguss) für Batteriegehäuse eingesetzt werden. Dabei soll der komplette Lebenslauf von der Materialherstellung über die erstmalige Verarbeitung, die Alterung sowie die Wiederaufbereitung bis hin zum Wiedereinsatz in einem Bauteil betrachtet werden.  

Aufgrund der Integration in eine Crash-relevante Struktur des Fahrzeugs und als zentraler Schutzmechanismus für die empfindlichen Batterien sind hohe Sicherheitsanforderungen an die Gehäuse einzuhalten. Die Leichtbaukonstruktion mit Einsatz von Kunststoffen und Organosheets führt im Vergleich zu state-of-the-art Gehäusen aus Aluminium oder Stahl zu einer Gewichtsreduktion von bis zu 20 % und damit zu deutlicher Reichweitenverlängerung und CO2-Einsparung.

    Vorgehensweise

    Im Vorhaben sollen die relevanten technische Kunststoffe Polypropylen (PP) und Polyamid (PA) aus dem Fahrzeugbau am Beispiel von Batteriegehäusen in Abhängigkeit vom Zustand der Abfälle (Produktionsabfall, Konsumptionsabfall) betrachtet werden. Seitens der Kunststoffverarbeitung sollen die zwei Prozesstechnologien Spritzguss und Fließpressen betrachten werden. Die Anforderungen an die Rezyklate werden von der Schnittstelle zur Fertigung bestimmt. Für die Aufbereitung soll neben der vergleichsweise etablierten mechanischen Aufbereitungsroute soll eine neuartige lösemittelbasierte Recyclingroute untersucht werden.

    Für die Prozessrouten werden Ökobilanzen nach DIN EN ISO 14040 erstellt. Dazu werden alle relevanten Daten für die einzelnen Routen erhoben. Diese umfassen Energie- und Materialbedarfe, sowie Materialzusammen-setzungen und relevante Bauteileigenschaften. Diese werden zur Erstellung von Sachbilanzen, welche die Grundlage der Ökobilanz darstellen, genutzt. Die hierfür erforderliche Sensorik wird mit Unterstützung der Projektpartner, wo notwendig, vor Ort installiert. Für Hintergrundsysteme (z.B. Energieerzeugung, Transport) werden Daten aus kommerziellen Datenbanken genutzt. Oftmals steigt die Effizienz eines Prozesses vom Übergang vom Labor- auf den Pilot- und Großserienmaßstab, was mit einer Reduzierung der Umweltwirkungen einhergeht. Die deshalb notwendige Hochskalierung geht bei einer klassischen Herangehensweise der LCA-Entwicklung mit einer Ungenauigkeit in der Datenlage einher. Um das Batteriewannen-Recyclingsystem im industriellen Maßstab möglichst genau repräsentieren zu können, soll deswegen eine Skalierung der Modellierungsgrundlage erfolgen. Auf Basis physikalischer oder ökonomischer Zusammenhänge werden Kenngrößen erarbeitet, anhand derer auftretende Umweltwirkungen (einschließlich Gutschriften) bestimmten Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette zugerechnet werden können. Zudem werden Indikatoren zur Bewertung der Kreislaufführung des zu entwickelnden Produktes definiert. Dadurch soll ersichtlich werden, inwiefern und wodurch sich die Zirkularität des Produktes steigern lässt, ob Zirkularität und verminderte Umweltwirkung stets miteinander einhergehen und welche damit in Verbindung stehenden Abhängigkeiten sich innerhalb des Produktsystems ergeben. Die methodischen Fragestellungen hinsichtlich der Ökobilanz ermöglichen die Identifizierung von ökologischen Hot-Spots, also Prozessen, welche innerhalb des Gesamtsystems einen signifikanten Anteil der Umweltwirkungen verursachen. Diese können als Grundlage für die Prozessoptimierung dienen. Die Ergebnisse aus den methodischen Vorüberlegungen hinsichtlich Skalierung, funktionelle Einheit und Allokation entlang der zirkulären Wertschöpfungskette sowie die erhobenen Daten werden in eine detaillierte Ökobilanz des Produktsystems überführt. Das so entstehende Ökobilanz Modell soll mit Hilfe einer graphischen Nutzeroberfläche für verschiedene Nutzergruppen und Stakeholder zugänglich gemacht werden, um beispielsweise niedrigschwellig durchführbare Szenario-Analysen zu ermöglichen.


    Ansätze und Nutzen (Projektziele)

    Das Vorhaben zielt zunächst auf den Technologietransfer der bereits für thermoplastische Kunststofffolien verfügbaren lösemittelbasierten Recyclingtechnologie auf das Recycling konstruktiver Leichtbaustrukturen in Faserverbundbauweise. Weiterhin sollen Methoden entwickelt werden, mit denen die mit der Kreislaufführung einhergehenden Eigenschaftsänderungen der Werkstoffe erfasst und im Hinblick auf den anforderungsgerechten Wiedereinsatz verlässlich und zugleich effizient bewertet werden können. Das Gabriela-Vorhaben adressiert daher die folgenden Teilziele:

    • Entwicklung der mechanischen Vorbehandlung der Abfälle mit Auswahl geeigneter Maschinen und deren Prozess- sowie Werkzeuganpassung, insbesondere der Zerkleinerung über mehrere Zerkleinerungsebenen hinweg und Ausschleusen von Störstoffen wie beispielsweise metallische Inserts oder Nachreinigung über Waschprozesse bis zum einsatzfähigen Granulat für das chemische Recycling
    • Vorsortierung komplexer Stoffströme in weitgehend sortenreine Fraktionen für die Weiterverarbeitung (Bsp.: Kunststoffartentrennung über sensorgestützte Sortierprozesse)
    • Entwicklung eines angepassten Prozessregimes des physikalischen Löseprozesses für die spezifischen Kunststoffe in den Batteriekästen mit Aufreinigung der Kunststoffe und Rückgewinnung der Faserverstärkung über mehrere Skalierungsebenen
    • Thermo-mechanische und morphologische Charakterisierung der verstärkten und unverstärkten Kunststoffe im ursprünglichen sowie im gealterten und im rezyklierten Zustand; Parameteranalyse
    • Entwicklung und Skalierung der gesamten Recyclingroute bis zum Prototyp in Einsatzumgebung (TRL6)
    • Stärkung der Designphase durch Etablierung der VDI2243 mit einer verbesserten Recycling- und Ökodesignfähigkeit
    • Nachweis der Herstellbarkeit von kunststoffbasierten Batteriekästen mit einem hohen Anteil von Sekundärmaterial und Nachweis der Tragfähigkeit
    • Bilanzierung und Evaluierung des Ressourcenverbrauchs in der gesamten Prozesskette
    • Innovative Ansätze zur Modellierung von zirkulären Wertschöpfungsketten (inklusive Allokationsansätze zur Verteilung von Umweltwirkungen und Gutschriften entlang der Akteure) und Integration dieser in LCA zur Entwicklung genauer Datengrundlagen

    Projektkonsortium

    • Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) der TU Braunschweig
    • Fraunhofer IVV
    • Institut für Aufbereitungsmaschinen und
    • Recyclingsystemtechnik IART der TU Bergakademie Freiberg
    • KAUTEX TEXTRON GmbH & Co. KG
    • Vecoplan AG